
Wir leben heutzutage in einer Flut von Bildern.
Dann aber, ist da eines, was heraussticht!
Wo wir zweimal schauen müssen, um zu verstehen was wir sehen. Wir sind gefesselt und schauen uns dann ein ganzes Profil an. Dann werden wir in den Bann gezogen von Geschichten und Abenteuern und mutigen kleinen Hunden und ihren anders denkenden Frauchen.
So ist es uns mit dem Hund „Mio“, mit eigenem Nachnamen, „Terriyaki“, gegangen, dessen Profil wir nun seit einer Weile auf Instagram verfolgen. Wir sind sogar so sehr in den Bann dieser Urbexing-Hund-Geschichten geschlagen, dass wir das Team, also die Fotografin Katharina Braun, für euch interviewt haben!


Liebe Katharina,wir folgen dir schon eine Weile auf Instagram und finden deine Stories und deine feed-posts immer überraschend, spannend und inspirierend.Wie lange machst du das schon, wie kommt man überhaupt darauf „lost places“ aufzusuchen und fürchtest du dich nicht?
Ich interessiere mich sehr für alte Gebäude, Geschichte und die Kombination aus beidem. Also die Geschichte alter Gebäude und deren ehemaliger Bewohner.
Mit meinem Papa, Architekt und Hobbyfotograf sowie meiner Mama suchen wir schon seit fast zehn Jahren sogenannte verlorene Orte auf und fotografieren dort. Die Faszination, dass sich die Natur die Gebäude zurückholt und auch die unterschiedlichen Energien, die man an solchen Orten spürt, ist toll. Da es meistens Hausfriedensbruch ist, kommt natürlich auch der Nervenkitzel, erwischt zu werden, dazu. Es ist also eine Kombination aus allem, was ich liebe: Recherche und Schnüffeln in der Geschichte, die Suche der Location (oft Detektivarbeit), der Nervenkitzel beim Einsteigen und drinnen dann die Schönheit des Verfalls und die Spuren vergangener Zeiten.
Ich bin ein ziemlicher Schisser normalerweise. Ich hab Angst im Dunkeln und bin meinen Eltern schnell in den nächsten Raum gefolgt, wenn wir zu dritt unterwegs waren. Bloß nicht allein zurück bleiben.
Seit meinem sechswöchigen Roadtrip durch Italien ist diese Angst fast völlig verschwunden. An manchen Orten gruselt es mich dann aber doch schon und allein durch einen dunklen Keller ist jetzt auch nicht meine Lieblingsbeschäftigung, aber wenn sich die Location lohnt, muss auch das sein.

Dein Account heisst ja Mio_terriyaki. Mio ist der Vorname von deinem Protagonist. Erzähl mal über diesen kleinen, mutigen Fips, deinem Partner in crime.Wo kommt er her, wie alt, welche Rasse, wie seid ihr zusammen gekommen,…
Mio ist wahrscheinlich aus Polen von einem sogenannten Vermehrer. Ich habe ihn als Zwergpinscher-Chihuahua gekauft und er war natürlich viel zu jung, damit er besonders klein ist und als ebendiese Rassen durchgeht. Ich hab damals beim Tierarzt gearbeitet und war zum Glück nicht ganz unbedarft, aber zu schockverliebt, um ihn nicht zu behalten. Eigentlich unterstützt man damit ja genau die Hundemafia, aber es war bei mir zumindest Liebe auf den ersten Blick. Er roch nur die zuvor gegessene Bolognese.


Und dann kläre doch mal das Terriyaki auf? Das ist doch eine japanische Art und Weise Speisen einzulegen?
Ich fand das irgendwie witzig, weil er ja ein Terrier ist. Allerdings muss ich zugeben, dass ich anscheinend die Einzige bin, die das witzig findet, weil es keiner auf Anhieb versteht.
Deine Fotos sehen immer sehr „durchkomponiert“ aus.Wie machst du das mit Mio?Darf er so lange frei herumschnüffeln bis du die Einstellung hast, oder muss er an einem Punkt sitzen und warten bis du dein Foto ausgearbeitet hast?Das Gute an Mio ist, dass er ein unerschütterliches Vertrauen zu mir hat und im Prinzip alles macht, was ich möchte. Wenn ich ihn irgendwohin setze, dann bleibt er da, bis ich ihn wieder abhole. Außerdem ist er eine echte Kamera-Rampensau. Klar eigentlich, weil er ja dann der Mittelpunkt ist – was er in meiner tierverrückten Familie sowieso eigentlich grundsätzlich ist.Für Mio sind unsere Touren großartig, weil er schnüffeln kann, seinen Kopf anstrengen muss, mit mir zusammen ist, Leckerlis bekommt (kriegt er sonst nie) und ich immer sehr glücklich bin, wenn ein Bild besonders toll ist. Das spürt er ja auch. Von 50 Fotos sind aber meistens nur ein paar etwas. Die Lichtverhältnisse sind oft schlecht oder es fliegt eine Menge Staub rum. Da ich ihn auch nicht ewig auf einer Stelle sitzen lassen möchte, sondern er auch Spaß haben soll, ist es tatsächlich oft schwierig und manches Traummotiv hat nicht geklappt. Aber das ist dann halt so. Die meisten Lost Places sind mitten im Nirgendwo – viel Natur außenrum zum Toben und Erkunden. In der Location selbst ist dann Schluss mit Rumflitzen, weil ich nicht möchte, dass er sich verletzt. Scherben, Tierkadaver, Löcher im Boden oder Zeug was von der Decke kommt sind nicht selten.
Daher wird draußen gespielt und drinnen professionell gearbeitet. Im Prinzip ist das nicht anders als bei anderen Hunden mit Jobs.

Draußen darf Mio sich frei bewegen. Drinnen nicht. Das ist einfach zu gefährlich. Oft muss ich ihn auch auf den Arm nehmen. Mio is a Lover, not a Fighter. Oder besser gesagt: Mio ist ein Hasenfuß, was andere Tiere angeht. Pferde werden ignoriert, sie sind quasi nicht existent, kleineres Getier interessiert ihn nicht, eine Heuschrecke durfte auf seiner Schnauze sitzen, bis sie die Nase voll hatte. Wenn er mal total verrückt drauf ist, erschreckt er Krähen, aber das kommt sehr selten vor.Läuft er frei mit dir? Bleibt er bei dir? Ist Mio ein Jäger?
Ich habe auf deinem LinkedIn-Profil gesehen, du bist auch eine ausgebildete Hundetrainerin!Hast du den Fotografier-Prozess unter Kommando gestellt?Wie arbeitet ihr da zusammen?
Ich bin noch in der Ausbildung zur Hundeverhaltensberaterin, aber noch unsicher, was und ob ich überhaupt damit arbeiten werde. Ich wollte ursprünglich Tierärztin werden, aber für das Studium fehlt mir die Disziplin. Trotzdem ist Mio recht gut trainiert. Das liegt aber vor allem an ihm. Er hat es mir sehr einfach gemacht und teilweise sind bestimmte Kommandos oder Tricks ganz natürlich entstanden. Aus heutiger Sicht würde ich sagen, dass es ganz einfach Konditionierung war und manchmal Free Shaping.

Teilweise sind die Posen von Mio so perfekt (z.b. wo er in der Kinderkarre sitzt), da muss ich an die Arbeiten von William Wegman denken.Arbeitet Mio da gerne mit, bietet er posen an? Oder brauchst du manchmal schon ein paar Leckerchen zur Überzeugungsarbeit?
Wow, das ist ein riesiges Kompliment.

Urbexing ist 90 Prozent Recherche und Bilder bearbeiten und 10 Prozent tatsächlich vor Ort. Es ist schon ein recht zeitaufwendiges Hobby. Anfangs ist es besonders schwer, Locations zu finden, aber mit der Zeit wird man immer besser. Ich benutze Google Maps, stöbere in der Geschichte, Immobilienangeboten oder folge versteckten Hinweisen in Fotos von anderen Urbexern. Auch ist die Community und bestimmte Gruppen, in denen man nach ein paar Jahren ist, hilfreich. Es bleibt aber immer spannend, weil man nie weiß, ob die Location noch steht, renoviert wurde oder vielleicht gar nicht mehr zugänglich ist, weil durch Security gesichert oder zugemauert.Wie geht ihr bei euren „Beutezügen“ vor?
Doch, davor habe ich tatsächlich Angst. Ich habe Schuhe für ihn, aber diese bisher noch nie im Einsatz gehabt. Er ist ziemlich leicht und tritt sich nichts ein. Wenn ich sehe, dass ein Gelände wirklich nicht für ihn geeignet ist, kommt er auf den Arm. Das findet er auch nicht schlecht und schmust sich dann an mich.Hast du keine Angst wegen Scherben,
die Mio´s Pfoten verletzen könnten?
Bisher ist noch nie was passiert. Wir sind aber beide vorsichtig. Mio ist kein Draufgänger und bei mir steht seine Sicherheit immer an erster Stelle.Habt ihr schon mal Verletzungen UND Fotos mitgebracht?

Habt ihr schon mal brenzlige Situationen gehabt?
Ich habe zwei Mal den Autoschlüssel im totalen Chaos verloren. Ich war allein in Italien – mitten im Nirgendwo und die Locations durcheinander, vollgemüllt, unübersichtlich und von Pflanzen überwuchert. Beim ersten Mal war die Panik nicht besonders groß, aber beim zweiten Mal hab ich schon fast aufgegeben und meine Mama in Deutschland angerufen. Als ich sie verheult am Telefon hatte, hab ich den Schlüssel dort liegen sehen, wo ich mit Mio das letzte Motiv geschossen habe.
Sonst war eigentlich nichts Brenzliges, aber das ist auch relativ. Ich bin mittlerweile ziemlich schmerzfrei, was das angeht.

In den letzten Wochen kam ich aus dem staunen nicht raus. Eure Reise nach Italien hat unfassbar abgefahrene Fotos hervorgebracht. Wieso gibt es denn so viele Lost Places in Italien? Oder gibt es die überall und wir sehen sie nur nicht?
Es gibt überall auf der Welt Lost Places, aber wenn man darauf nicht konditioniert ist, sieht man sie nicht. Von außen sehen sie oft unscheinbar aus. Die wahre Schönheit verbirgt sich innen. Eine Freundin schrieb mir auch: „Was ist nur mit Italien los? Da ist ja alles kaputt!“. Aber das stimmt nur teilweise. Ich liebe Gebäude, die zwischen Mitte des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts gebaut wurden. Herrschaftlich, mit viel Stuck und wenn von der Natur übernommen, märchenhaft schön. Davon gibt es sehr viele in Italien. Das Problem ist aber, dass diese Häuser natürlich oft sehr groß sind, im Unterhalt daher teuer und meistens auch eher abgeschieden. Sterben die Besitzer, dann streiten sich die Verwandten danach so lang, bis das Gebäude nicht mehr steht oder es gibt keine Erben. Dann wird so ein Gebäude oft zum Verkauf angeboten oder dem Verfall preisgegeben. Anders sieht es mit öffentlichen Gebäuden wie Kliniken, Kirchen o.ä. aus. Wenn die aufgegeben werden, kümmert sich oft keiner mehr darum.
Manchmal sieht es aus als wäre der Betrieb von einer auf die andere Minute aufgegeben worden und alle Mitarbeiter hätten einfach alles stehen und liegen lassen.
Zusätzlich ist die Urbex Community sehr verschwiegen. Ein Kodex ist, dass wir Location Koordinaten nicht preisgeben, um die Gebäude vor Vandalismus zu schützen. Je bekannter, umso wahrscheinlicher, dass sie zerstört oder abgesperrt wird.

Was ist für dich „das Ding“ beim Urbexing? Worum geht es dir? Was machst du mit diesen wunderbaren Bildern? Gibt es vielleicht mal einen Fotoband? Wie geht es weiter?
Es vereint für mich einfach alles, was ich liebe: Detektiv spielen, Geschichte, Nervenkitzel, Architektur und Natur. Wenn ich nach einem anstrengenden, nervenaufreibendem Weg plötzlich in einer Location stehe und es mich umhaut vor morbider Schönheit, dann läuft mein inneres Belohnungssystem auf Hochtouren.
Was macht ihr sonst so?
Ich arbeite als selbstständige PR-Beraterin und habe daher den Luxus von überall arbeiten zu können. Wichtig ist nur, dass ich Mio mitnehmen kann. Zu weit darf es also nicht sein.
Was möchtest du unseren Lesern noch gerne mitteilen?
Philosophy of life? Lessons Learned?
Falls ihr Lust auf Urbexing habt, dann bitte merkt euch: Take nothing but pictures, leave nothing than footsteps.
Wir danken dir für deine Zeit und deinen Input und freuen uns auf die nächsten Fotos!


1 Kommentar
Katharina und Mio · 2. Juli 2019 um 14:42
Wir lieben es!!!